Vorschau Deutsche Meisterschaften Schwimmen „Finals 21“ in Berlin

Es ist das größte Sportereignis in Deutschland seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Gleich 18 Sportarten veranstalten vom 3. bis 6. Juni ihre deutschen Meisterschaften im Rahmen der „FINALS 2021“, die in diesem Jahr erstmal über vier Tage in der Sportmetropole Berlin, in der Metropolregion Rhein-Ruhr und in Braunschweig (Leichtathletik) ausgetragen werden.

In der Berliner Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark ermitteln die Beckenschwimmer ihre deutschen Meister 2021 – unter strengsten Coronaschutzbestimmungen und ohne Zuschauer. Es werden keine Staffeln ausgetragen und die Teilnehmerzahl ist pro Wettkampf auf lediglich 20 begrenzt. Insgesamt durften 92 Vereine 135 Frauen und 150 Männer melden. So ist schon die Qualifikation eine besondere Auszeichnung. Umso erfreulicher für die Sportstadt Schwäbisch Gmünd ist, dass gleich vier Mitglieder des Schwimmvereins (SVG) an den Titelkämpfen in Berlin teilnehmen.

 

Für Henning Mühlleitner, der seit drei Jahren für die Neckarsulmer Sportunion startet, könnte es sogar zu drei Podestplätzen reichen – durchaus ganz oben. Der Staffeleuropameister von 2018 ist nämlich in seiner Spezialdisziplin über 400 Meter Freistil klarer Favorit, da Doppelweltmeister Florian Wellbrock und Shootingstar Lukas Märtens (beide Magdeburg) nicht für Berlin gemeldet haben und sich voll auf die Vorbereitung für die Olympischen Spiele (23. Juli bis 8. August) konzentrieren.  Rückenwind hat Henning Mühlleitner in diesen Tagen auch dadurch erhalten, dass er von den Bundestrainern Bernd Berkhahn und Hannes Vitense neben Lukas Märtens nun fest für den Einzelstart über 400 Meter Freistil in Tokio nominiert wurde. „Das gibt mir nochmals einen Motivationsschub für Berlin“, sagt Mühlleitner, „die Finals 21 sind für mich eine wichtige Standortbestimmung fürs Tempogefühl und den Fitnesszustand vor Tokio“. Mit seiner erst kürzlich erzielten Bestzeit von 3.45,36 Minuten ist Mühlleitner der einzige 400-Meter-Freistilstarter, der bislang die 3.50-Minutenmarke unterboten hat. Auch über 200 Meter Freistil will Henning Mühlleitner nach dem deutschen Meistertitel greifen – mit seiner Meldezeit von 1.47,77 Minuten liegt er nur einen Wimpernschlag hinter dem Essener Poul Zellmann (1.47,53). Mit der viertbesten Zeit von 8.10,07 Minuten geht Mühlleitner über 800 Meter Freistil an den Start. Auch auf dieser Langstrecke kann der 23-jährige Informatikstudent nach Gold greifen, denn die 7.56,53 Minuten von Sven Schwarz (Wasserfreunde Hannover) sind für ihn nicht unerreichbar: „Mit meinem neuen Heimcoach Matthew Magee habe ich in den letzten Wochen die Trainingsintensität erhöht und vor allem dabei auf exakte Tempofixierung geachtet“, lässt der Gmünder Sportler des Jahres 2018 wissen.

 

Wieder sehr gut in Schwung gekommen ist auch wieder Patrick Dalferth. Der seit drei Jahren für die SSG Saar Max Ritter schwimmende 21-jährige BWL-Student kann sich berechtigte Hoffnungen machen, über 50 Meter und über 100 Meter Rücken das A-Finale zu erreichen. Mit seinen 27,09 Sekunden über die kurze Sprintstrecke liegt er nach der Meldeliste auf Rang 7, acht Schwimmer kommen in den Endlauf. Über 100 Meter rangiert Patrick mit 58,26 Sekunden an neunter Stelle – und seine Leistungskurve zeigt nach oben.

 

Etwas unerwartet, aber umso bemerkenswerter, hat auch Philipp Dalferth sich für die Finals der besten 20 in Berlin qualifiziert. Und das gleich für zwei Rennen. Der 19-jährige Medizinstudent startet mit seinen kürzlich in Saarbrücken geschwommenen persönlichen Bestzeiten von 51,64 Sekunden über 100 Meter Freistil und mit 1.53,42 Minuten über 200 Meter Freistil als 17. in die Vorläufe mit dem Ziel, zweimal das B-Finale zu erreichen. „Das strukturierte Training unter dem saarländischen Landescoach Felix Weins und das hohe Niveau der starken Leistungsgruppe mit vielen deutschen Spitzenschwimmern bei der SSG Saar Max Ritter haben sich bei mir in sehr positiv ausgewirkt“, ist Philipp Dalferth mit seiner persönlichen Entwicklung im letzten halben Jahr sehr zufrieden. Seit Dezember 2020 gehört Dalferth als Mitglied der DJK Dudweiler der Schwimmstartgemeinschaft (SSG) Saar Max Ritter, ein Zusammenschluss von 15 Schwimmabteilungen und -vereinen aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz, an.

 

Dabei macht Philipp Dalferth kein Hehl daraus, dass sein Wechsel vom Schwimmverein Gmünd ins Leistungszentrum nach Saarbrücken „nicht mein Plan Nr. 1 war“. Nach dem Technikstudium an der Hochschule Aalen: „Daneben wollte ich aber weiter bei meinem Heimatverein bleiben. Leider haben sich aber die Rahmenbedingungen aus meiner Sicht für die Männermannschaft des SVG nach der Kündigung von Stadtsportlehrer und SVG-Cheftrainer Patrick Engel sehr unglücklich verschlechtert“, blickt Dalferth zurück. So sei die von der SVG-Vorstandschaft angekündigte schnelle Einstellung eines qualifizierten Nachfolgers nicht realisiert worden und das Trainingskonzept von Interimstrainer Peter Stich, der sein Hauptaugenmerk auf die Mädchen- bzw. Damenmannschaft legt, sei „für uns Männer nicht überzeugend gewesen.“ Deshalb hätten sich auch Hannes und Max Luca Schenke dem SV Waiblingen angeschlossen. Nachdem er diverse Praktika, unter anderem im Ostalbklinikum in Aalen ablegte, entschloss sich Phillip Dalferth zur Bewerbung um ein Medizinstudium. Aufgrund seines herausragenden Abizeugnisses bekam er einen Platz an der Uni Homburg zugeteilt. „Danach erst habe ich mich entschieden, zur SSG Saar Max Ritter zu wechseln, zumal ich ja von meinem Bruder Patrick und auch von Henning wusste, dass Saarbrücken hervorragende Trainingsbedingungen bietet, und es von meiner Wohnung in Homburg bis zum Bad in Saarbrücken nur 20 Autominuten sind“, betont Philipp Dalferth, der wie sein Bruder Patrick und Henning Mühlleitner weiterhin Mitglied beim SVG bleibt.

 

 SVG-Vorsitzender Roland Wendel bedauert die Umstände des Startrechtwechsels von Philipp Dalferth: „Uns waren nach der Kündigung von Patrick Engel, der ja beim Stadtverband Sport angestellt war, und einer damit verbundenen rechtlichen Auseinandersetzung die Hände gebunden und wir konnten deshalb unsere ursprünglichen Pläne nicht umsetzen. Erst jetzt haben wir in Björn Koch einen neuen Cheftrainer anstellen können, im Übrigen hauptamtlich und voll beim Schwimmverein. Wendel ist zuversichtlich, dass Koch „auch unsere Männermannschaft wieder auf den Kurs bringt, der in Gmünd eigentlich Standard ist“. Und: „Für mich sind Henning und die Dalferth-Brüder Gmünder Schwimmer, denen wir immer die Daumen drücken, für welchen Verein auch immer sie an den Start gehen! Sollten sie nach ihrem Studium wieder nach Gmünd zurückkommen, so stehen ihnen bei uns natürlich alle Türen offen“.

 

Durchaus als kleine Sensation bezeichnet werden kann, dass sich das aktuelle sportliche Aushängeschild des Gmünder Schwimmvereins, die 16-jährige Marie Fuchs, für die Finals 21 unter die besten 20 deutschen Frauen schwimmen konnte – und das gleich dreimal. „Wir konnten trotz Coronabeschränkungen im Gmünder Hallenbad intensiv trainieren, das zahlt sich jetzt aus“, freuen sich die Coaches Peter Stich und Dany Fuchs. Marie rangiert mit ihren Bestzeiten von 2.22,80 über 200 Meter Lagen, 2.37,74 über 200 Meter Brust und 28,49 über 50 Meter Schmetterling auf den Plätzen 13, 15 und 16. „Wenn sie sich für einen B-Endlauf qualifizieren würde, wäre das das Sahnehäubchen auf der Torte“, meint Stich zu den Erwartungen seines Topschützlings. Besonders brisant verspricht dabei der Vorlauf über 50 Meter Schmetterling zu werden: Marie Fuchs trifft dabei direkt auf ihre frühere Vereinskameradin Carolin Morassi (28,66), die inzwischen wieder zu ihrem Heimatclub Aalener Sportallianz zurückgekehrt ist. Morassi peilt über 100 m Schmetterling (1.02,43 Minuten) als Neunte den Endlauf an hofft über 200 Meter Schmetterling mit der drittschnellsten gemeldeten Zeit von 2.14,18 Minuten sogar auf eine Medaille.

 

Die öffentlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF planen eine aufwändige Produktion der Multisport-Veranstaltung „Finals 21“ in Berlin und in Nordrhein-Westfalen mit großflächigen Übertragungen in ihren Hauptprogrammen.