Zu viele Nichtschwimmer - Ehrenamt - Weil Sportlehrer fehlen, bringt seit zehn Jahren der Schwimmverein Gmünd Schulkindern in der Region das Schwimmen bei.

Philipp Zettler

Schwäbisch Gmünd

Das Jahr 2008 war ein Schicksalsjahr für uns“, sagt Roland Wendel, Vorsitzender des Schwimmvereins Schwäbisch Gmünd. Damals zeigten mehrere Studien, dass die Mehrheit der deutschen Grundschüler nicht schwimmen kann. Das war der Startpunkt für eine in Deutschland einmalige Kooperation des Schwimmvereins Schwäbisch Gmünd mit Schulen und Kindergärten in der Region. Seit mittlerweile zehn Jahren bringen Übungsleiter des Vereins Schülern das Schwimmen im Sport-Unterricht bei.

Kooperation voller Erfolg

Der Verein habe 2008 selbst eine Umfrage von rund 200 Grundschülern im Raum Gmünd gestartet, erläutert Wendel. „Das Ergebnis hat uns aufgerüttelt.“ Zunächst sei die Bilanz der Befragung eine Überraschung gewesen. Die Mehrheit der Kinder gab an, schwimmen zu können. Doch Wendel war skeptisch. Kurzerhand ließ der Verein die Teilnehmer der Studie zum Vorschwimmen antanzen. „Die Hälfte ging unter.“ Ein Achtjähriger gebe eben ungern zu, etwas nicht zu können, vermutet Wendel.

Mittlerweile geht Wendel von 85 Prozent Nichtschwimmern unter den Fünf- bis Zwölfjährigen aus. Über den Grund will Wendel nicht spekulieren. Aber er ist überzeugt: „Schwimmen ist eine Kulturfähigkeit.“ 2017 kamen in Baden-Württembergs Gewässern 38 Menschen ums Leben. Darunter fünf Kinder.

Mit vier Schulen, der Klösterleschule, der Rauchbeinschule, der Uhlandschule und der Grundschule Weiler startete das Projekt 2008. „Es war ein Riesenerfolg“, sagt Wendel. Mittlerweile kooperiert der Verein mit 16 Schulen und sechs Kindergärten. „Wir werden noch weiter wachsen“, ist er sich sicher. Rund 600 Kinder haben 2017 durch das Projekt Schwimmen gelernt.

In einem Freizeitbad lernt niemand das Schwimmen.

Roland Wendel,
Vorsitzender des Schwimmvereins

Die Kooperation sei damals ein Sprung ins kalte Wasser gewesen. Wendel war sich zu Beginn selbst nicht sicher, ob der Verein in der Lage sei, das Projekt zu stemmen. Mittlerweile seien er und sein Team sehr selbstsicher. Zwei Beispiele: „Ich war überrascht, als Kindergärten bei uns anfragten.“ Einem Dreijährigen Schwimmen beizubringen, sei eigentlich nicht sinnvoll, wenn er den Beckenboden in rund 80 Zentimeter Tiefe nicht erreichen könne. Doch bei den Kleinen gehe es um die Gewöhnung an das Wasser. „Die Betreuerinnen erzählten uns von Kindern, die in ihrem ganzen Leben noch nie mit Wasser in Kontakt gekommen seien. Außer aus dem Wasserhahn“, sagt Wendel.

Auch bei der Inklusion war sich Wendel zunächst unsicher. Doch auch diese Bedenken sind mittlerweile verflogen. „Es funktioniert wunderbar und die Kinder haben einen Riesenspaß.“ Der Verein gibt mittlerweile auch Unterricht für Schüler der Gehörlosenschule St. Josef und Pestalozzischule Göppingen, ein Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum. 2013 baten das Kultusministerium Baden-Württemberg und der Schwimmverband Württemberg den Schwimmverein Gmünd, die Kooperation in ein Pilotprojekt weiterzuentwickeln.

Allein durch Spenden finanziert

Das Konzept funktioniert so: Die Übungsleiter unterstützen die Sportlehrer für ein Jahr. „Viele Lehrer wollen nicht das Risiko eingehen, alleine für die Sicherheit von 26 Kindern im Schwimmbad zu sorgen, wenn die Mehrheit nicht schwimmen kann“, sagt Wendel. Die Übungsleiter konzentrieren sich auf die Anfänger. Der Sportlehrer betreut die Fortgeschrittenen.

Jedes Jahr muss Wendel für die Fortführung des Projekts „betteln“, wie er sagt. Rund 30 000 Euro muss der Verein jährlich aufbringen. Der enge Haushalt der Stadt Gmünd erlaube keine finanzielle Unterstützung. Die Stadt helfe bei der Kooperation jedoch wo es gehe, sagt Wendel. Bürgermeister Dr. Joachim Bläse habe sich 2008 sehr für die Entstehung des Projekts eingesetzt. Allgemeine Spendenaufrufe hält Wendel für unwirksam. „Wenn sie gezielt Leute für ein gutes Projekt um finanzielle Unterstützung bitten, dann bekommen sie ihr Geld auch“, ist er sich sicher. Wichtig für den Ausbau des Schwimmunterrichts sei jetzt die geeignete Schwimmfläche. Es ist Wendel wichtig, zu unterstreichen, dass große Schwimmhallen kein Prestigeobjekt für den Spitzensport seien. „Die Mehrheit unserer 1 200 Mitglieder sind Kinder und Freizeitschwimmer“, sagt Wendel. Große Schwimmhallen werden benötigt, um die Masse der Nichtschwimmer auszubilden. „In einem Freizeitbad lernt niemand das Schwimmen.“

© Gmünder Tagespost 27.05.2018 21:26