„Ein Schwimmverein ohne Schwimmen“ Schwimmen: Der Vorsitzende des SV Gmünd, Roland Wendel, spricht über ein sportliches Drama für Kinder und Jugendliche

Seit März diesen Jahres haben die Schwimmerinnen und Schwimmer des SV Schwäbisch Gmünd laut Roland Wendel an einem einzigen Wettkampf teilgenommen. Neben weiteren Veranstaltungen mussten im Corona-Jahr auch Schwimmkurse und Trainingseinheiten abgebrochen oder abgesagt werden. Im Interview mit Alexander Vogt spricht der Vorsitzende des SV Gmünd deshalb von einem sportlichen Drama für viele Kinder.

 

SCHWIMMEN. Die Auswirkungen der Corona-Beschränkungen auf das Vereinsleben des Schwimmvereins Gmünd und den Schwimmsport allgemein sind für Roland Wendel mehr als besorgniserregend.

 

 

 

Wie lässt sich die aktuelle Situation beim SV Schwäbisch Gmünd auf den Punkt bringen?

 

Es ist ein sportliches Drama vor allem für die Kinder und Jugendlichen, die nicht schwimmen dürfen.

 

Warum?

 

Weil der Zweck des Schwimmvereins seit März vehement beeinträchtigt ist. Sinn und Zweck ist es, dass Kinder bei uns schwimmen lernen und sich natürlich auch sportlich weiterentwickeln. Schon beim ersten Lockdown war das eine dramatische Situation für uns und unsere Schwimmerinnen und Schwimmer, weil praktisch alle Wasserflächen von heute auf morgen geschlossen werden mussten und dadurch ungefähr 450 Kinder und Jugendliche bei uns von heute auf morgen nicht mehr schwimmen konnten.

 

Von heute auf morgen davon betroffen waren dann zwangsläufig auch die Schwimmkurse.

 

Es ist schlimm, dass wir angefangene Schwimmkurse abbrechen mussten. Die Kinder, die im März nicht schwimmen durften, haben es bis heute auch nicht gelernt. Das ist eine ganz schlimme Entwicklung. Der Württembergische Schwimmverband hat erhoben, dass in unserem Verbandsgebiet beim ersten Lockdown 20 000 Kinder das Schwimmen nicht mehr erlernen konnten. Bundesweit spricht man mittlerweile von mehreren hunderttausend Kindern.

 

Welche Auswirkungen darauf hat nun der aktuelle Teil-Lockdown?

 

Die ausgefallenen Kurse können jetzt wieder nicht nachgeholt werden. Dadurch wird die erwähnte Zahl immer größer. Das ist das große Drama. Wenn man die Schwimmfertigkeiten nicht mehr lernen kann, dann ist meines Erachtens der gesamte Schwimmsport gefährdet. Weil man einen ganzen Jahrgang einfach nicht ins Wasser lässt. Und das Problem eben ist, dass man die Zeit nicht nachholen kann.

 

Deshalb sehen Sie als SVG-Vorsitzender diesen Teil-Lockdown also sehr kritisch?

 

Das ist von der Wortwahl her doch geschönt. Wir haben im Sport keinen Teil-Lockdown, sondern im Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport einen Voll-Lockdown. Um die 25 Millionen Amateursportler in Deutschland kümmert sich keiner. Bei den Profis und Leistungssportlern ist es anders, mir tun aber vor allem die Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssportler unheimlich leid.

 

Bis wann konnte nach dem ersten Lockdown im Gmünder Freibad trainiert werden?

 

Unsere leistungsorientierten Schwimmer konnten bis zum 10. Oktober im Freibad schwimmen. Aber der größte Teil unseres Vereins ist nicht Leistungsgruppen zugeordnet. Mit kleinen Kindern, die nicht schwimmen können, können wir nicht in ein zwei Meter tiefes Sportbecken gehen. Den größten Teil der Gruppen im Kinderbereich haben wir den Sommer über und seit März nicht mehr gesehen.

 

Wer darf momentan noch trainieren?

 

Unsere Topschwimmer dürfen im Hallenbad nach wie vor ins Wasser, das ist klasse. Aber das ist nur der kleinste Teil bei uns mit maximal 15 Schwimmerinnen und Schwimmer.

 

Die Kinder und Jugendlichen aber nicht?

 

Das ist das Groteske, was wir Schwimmer überhaupt nicht verstehen. Schulschwimmunterricht darf stattfinden, aber Vereinsschwimmunterricht nicht. Und das, obwohl unsere Hygienekonzepte stehen. Seit diesen März hat sich auch kein einziges Vereinsmitglied durch die Vereinstätigkeit mit dem Coronavirus infiziert. Es werden nun die ausgesperrt, die sowieso vorsichtig sind. Das versteht man als Normalbürger dann nur sehr schwer.

 

Das Vereinsleben steht also sozusagen still?

 

Es gibt praktisch kein Vereinsleben mehr. Wir haben alles abgesagt, was den Verein ausmacht. Wir machen keine Vereinszeitung mehr, weil wir über nichts berichten können. Wir haben viele Wettkämpfe abgesagt. Natürlich auch unseren Mugele-Cup und unser Weihnachtsschwimmen, das in den vergangenen 50 Jahren immer ein Höhepunkt für unseren Verein war.

 

Hat der SV Gmünd Abmeldungen zu beklagen, weil quasi nichts mehr stattfindet?

 

Es gibt einen Rückgang der Mitgliederzahlen. Die Ein- und Austritte waren in den vergangenen Jahren fast identisch. Bei 1100 Mitgliedern haben sich immer jeweils 200 an- und abgemeldet. Jetzt haben wir zwar deutlich weniger Austritte als in der Vergangenheit, aber gar keine neuen Mitglieder. Warum soll man auch eintreten, wenn nichts stattfindet und nichts angeboten wird. Wir sind momentan ein Schwimmverein ohne Schwimmen. Das macht mir große Sorgen.

 

Wie bewerten Sie die finanzielle Situation des Schwimmvereins Schwäbisch Gmünd?

 

Die ist halbwegs stabil. Weil wir unser Geld ausschließlich fürs Schwimmen ausgeben. Und das findet ja nicht statt.

 

Wie fällt Ihr Ausblick auf das Jahr 2021 aus?

 

Es ist nicht zu erwarten, dass sich in den nächsten zwei, drei Monaten wesentlich etwas ändern wird. Wir machen das, was wir machen dürfen. Aber wir wissen noch nicht, wann wir wieder ins Hallenbad dürfen. Dann fahren wir alles sofort wieder hoch. Bis es jedoch den Umfang erreicht, den wir vor Corona hatten, wird es dauern. Die Nachwehen werden erheblich sein.

 

 

 

Rems-Zeitung 03.12.2020