WM in Budapest - Henning Mühlleitner verfehlt um sieben Zehntelsekunden das Finale über 400 Meter Freistil. Platz 11 in der Gesamtwertung.

Seinen Coup von den Olympischen Spielen 2021 in Tokio konnte der Schwäbisch Gmünder Henning Mühlleitner bei den Schwimm-Weltmeisterschaften in Budapest nicht wiederholen. Vor acht Monaten in Japan hatte sich der für die Sportunion Neckarsulm startende 24-Jährige als Vorlaufschnellster über 400 Meter Freistil in persönlicher Bestzeit von 3.43,67 überraschend für das Finale qualifiziert, das er dann als Olympiavierter beendete. Am Samstagmorgen lief es in der prächtigen DUNA-Arena für Mühlleitner nicht so optimal. In seinem Vorlauf begann er eher verhalten und hielt sich strikt an seine eigene Taktik, schob sich dann aber mit zunehmender Rennlänge immer weiter nach vorne. Am Ende schlug er nach 3:47,17 Minuten als Fünfter an, als Gesamtelfter reichte das um sieben Zehntel knapp nicht für das Finale. “Eine WM im Becken habe ich noch nie erlebt. Es war dann das Rennen so, wie ich es trainiert hatte. Das Ergebnis hat knapp nicht gereicht, aber ich glaube, ich hätte es nicht anders machen können heute früh”, sagte Mühlleitner. Auch die lautstarke Unterstützung seiner früheren Kameraden vom Schwimmverein Gmünd auf den Zuschauerrängen trug Henning Mühlleitner nicht ins Finale. Eric und Nils Wendel, Per Kleinschmidt, Paul, Franz und Hans-Peter Gratz, die am Himmelfahrtstag kurz entschlossen in die ungarische Hauptstadt geflogen waren, trösteten anschließend ihren Freund und munterten ihn für die Europameisterschaften, die Mitte August in Rom stattfinden, auf. Mit seiner Vorlaufzeit von Tokio wäre Mühlleitner auch in Budapest als Schnellster ins Finale gekommen.

„Henning ist sicherlich enttäuscht, sein Ziel WM-Finale nicht erreicht zu haben“, beurteilt Roland Wendel das Abschneiden von Henning Mühlleitner. Der Gmünder Schwimmvereins-Vorsitzende verweist aber darauf, dass während sich die meisten anderen deutschen WM-Teilnehmer im Höhentrainingslager in Spanien auf Budapest vorbereiteten, Mühlleitner an der Hochschule Heilbronn seine Bachelor-Arbeit über die Klassifizierung von Chatbots mit Erfolg abschloss: „Studium und Hochleistungssport unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach!“. Wendel geht davon aus, dass Mühlleitner und sein Heimtrainer Matthew Magee am Olympiastützpunkt Heidelberg den Fokus ihrer Vorbereitung ohnehin auf die Europameisterschaften legen.“ Zuvor wird Mühlleitner am kommenden Samstag bei den „Finals 22“ in Berlin über 1500 Meter Freistil in Abwesenheit von Olympiasieger und Weltmeister Florian Wellbrock und Vizeweltmeister Lukas Märtens (beide SC Magdeburg) als Favorit auf den deutschen Meistertitel an den Start gehen.

Eigentlich hätte Henning Mühlleitner am Donnerstag noch einen weiteren WM-Einsatz mit der deutschen 4 x 200 Meter Freistilstaffel gehabt. Doch der Heidelberger Josha Salchow wurde kurz vor der geplanten Abreise nach Ungarn am vergangenen Freitag positiv auf das Coronavirus getestet und konnte deshalb die Anreise gar nicht erst antreten. Deswegen musste der DSV die Staffel über abmelden. Für diese Staffel waren neben Salchow und Mühlleitner noch Raffael Miroslaw (Hamburg) und Märtens aufgestellt. „Ich habe keine großen Beschwerden und kann mich normal bewegen, es fühlt sich eher an wie eine normale Grippe. Aber die Blutwerte lassen auch eine verzögerte Anreise einfach nicht zu“, sagte Salchow und DSV-Leistungssportdirektor Christian Hansmann erklärte: „Leider ist keine Nachmeldung mehr möglich. Das ist sehr schade, weil die lange Freistilstaffel bis zu den Olympischen Spielen 2024 von uns als ein Prestigeobjekt angesehen wird.“ Für SVG-Vorsitzenden Roland Wendel ist es „aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, dass der DSV keinen Ersatzmann nominiert, wenn diese Staffel schon ein Prestigeobjekt sein soll und wenn die Coronaregeln so streng sind.“ In Tokio hatten die DSV-Staffel im Olympiafinale Platz sieben belegt. Die Weltmeisterschaften in Budapest werden mit einem aufwendigen Hygienekonzept geschützt. Alle Akkreditierten müssen vor Abreise daheim und nach Ankunft Coronatests durchführen, in Ungarn sogar sind sogar PCR-Tests vorgeschrieben.

Die Rolle des „Türöffners“ für das deutsche Schwimmteam in Budapest übernahm übrigens Lukas Märtens von Henning Mühlleitner. Im ersten Finale am Samstag gewann der als Vorlauffünfter gestartete Magdeburger die Silbermedaille über 400m Freistil. Der 20-Jährige schlug nach 3:42,85 Minuten als Zweiter an, schneller war an diesem Abend nur Elijah Winnington (Australien) in 3:41,22, Bronze ging an den Brasilianer Guilherme Costa in 3:43,31. Dagegen ging der Vorlaufschnellste Felix Auböck (Österreich), im Dezember noch Weltmeister auf der Kurzbahn, als Vierter (3:43,58) leer aus.

“Das Gefühl ist unbeschreiblich. Ich weiß auch noch gar nicht so richtig, was ich sagen soll. Es war ein total gutes Rennen. Am Ende hat man gesehen, dass ein paar Körner noch gefehlt haben, aber ich bin super zufrieden mit der Zeit. Auf so einem Niveau das abzurufen, ist schon eine tolle Sache”, jubelte Märtens nach seinem Silber-Coup. Im Vorlauf war Märtens direkt neben Henning Mühlleitner 3:45,04 Minuten geschwommen, hatte dort aber noch nicht alle Karten auf den Tisch gelegt. Im Finale hielt sich der Magdeburger von Anfang an der Spitze des Feldes auf, zunächst noch hinter Winnington, ehe er kurz nach der Hälfte des Rennens dann selbst ganz nach vorne ging. Dabei legte Märtens ein enormes Tempo vor und lag nach 350 Metern sogar noch unter dem Uralt-Weltrekord von Paul Biedermann (Magdeburg), der 2009 in Rom 3.40,07 Minuten geschwommen war, allerdings noch mit Ganzkörperanzug. „Ich wollte auf den letzten 50 Metern nochmal alles reinhauen, aber es ging einfach nicht mehr,” räumte Märtens ein. Stattdessen schob sich Winnington dank eines famosen Endspurts - die letzte Bahn absolvierte der Sieger in 26,50 Sekunden - noch am bis dahin führenden Deutschen vorbei, der dennoch überglücklich war mit seinem Ergebnis.