Deutsche Hochschulmeisterschaften Schwäbisch Gmünd

Allgemein, Hintergrund

Es war weitaus mehr als ein Sportwettkampf. Die Deutschen Hochschulmeisterschaften 2023 im Schwimmen am vergangenen Wochenende im Bud-Spencer-Bad waren eine Symbiose aus Spitzenleistungen und persönlichen Rekorden von ehrgeizigen Hobbysportlern, und vor allem ein fröhliches Fest junger Menschen, die ihrer positiven Lebensfreude bei Partys, beim Anfeuern ihrer Kommilitonen/innen und bei Spaßstaffeln freien Lauf ließen. Davon ließ sich auch Oberbürgermeister Richard Arnold, der am Freitagnachmittag mit einem engagierten Willkommensgruß die Veranstaltung eröffnete, anstecken: „Es wäre toll, wenn dieses Sportfest auch im nächsten Jahr in Schwäbisch Gmünd stattfinden würde, ich könnte mir vorstellen, dass wie diese ungezwungene und frische Fröhlichkeit auch in unsere historische Altstadt bringen.“

Auch Thorsten Hütsch, der Direktor des Veranstalters Allgemeiner Deutscher Hochschulsportverband (adh), und adh-Schwimm-Disziplin-Chef Hans Peter Gratz, ein früherer Gmünder Bundesligaschwimmer, könnten sich das vorstellen, zumal sie Ausrichter Pädagogische Hochschule und Schwimmverein Gmünd für eine „wirklich meisterschaftsreife Organisation in einer tollen Schwimmarena“ mit Lob zuschütteten. Dem stimmten auch die beiden Staffelmeisterinnen Paula Schulte und Anika Brückmann von der Uni Bochum sofort zu: „Das war hier einfach alles genial. Und das Freibad hier mit dem See ist wunderbar!“ SVG-Vorsitzender Roland Wendel und Dr. Jens Keyßner von der PH hätten gegen eine Wiederholung „grundsätzlich nichts“ einzuwenden, sie wissen aber auch, dass die Durchführung einer solchen Meisterschaft, dann wahrscheinlich mit noch größerer Beteiligung, ein Kraftaufwand ohnegleichen ist. Der gelang in diesem Jahr eindrucksvoll, weil die Teams von PH, auch dank der unbürokratischen Unterstützung und Mithilfe der Schwimmmeister/innen der Gmünder Bäderbetriebe, reibungslos zusammenarbeiteten. Das begann bereits am Donnerstagabend bei der „Umwandlung“ des 50-Meter-Beckens in eine dank vieler namhafter Sponsoren bunt „bebandeter“ Sport-Arena. Und setzte sich nahtlos fort: Ein fachkundiges Kampfgericht, angeführt von Zachary Vovnenko und Holger Kilz vom Schwimmverband Württemberg und größtenteils gestellt vom SVG unter der Leitung von Steffen Kientz; die ruhigen Protokollchefs Veit Botsch und Bernd Schabel, die kompetenten Sprecherinnen Eva Stich und Inge Sonntag und schließlich die von Claudia Schneider koordinierte Cateringmannschaft. Glanzpunkt der Kooperation: Nach Ende der Veranstaltung am Sonntagnachmittag packten alle Helferhände gemeinsam beim Abbau zu. Den Badegästen und Zuschauern ein herzliches Dankeschön, da sie ja das Sport- und Sprungbecken während der Einschwimm- und Wettkampfzeiten nicht nutzen konnten.

Die Wettkämpfe

Die Wettkämpfe vor stimmungsvoller Kulisse, wobei sich die Studierenden der Unis Hannover, Bochum und Karlsruhe optisch und akustisch besonders auszeichneten, waren spannend und intensiv, egal ob Weltklasseathleten/innen, Studierende mit schwimmerischen Vergangenheit oder reine Hobbyathleten/innen gegeneinander kämpften.

Die erfolgreichste Schwimmerin war Josephine Tesch von der Uni Heidelberg, die über 200 Meter Freistil in 2.02,78 Minuten, 200 Meter Rücken in 2.21,93 Minuten und 400 Meter Freistil in 4.23,89 Minuten Gold gewann und 200 Meter Lagen und 100 Meter Freistil Silber holte. Allerdings konnte sie die anspruchsvollen Qualifikationsnormen für die FISU World University Games (Universiade) vom 28. Juli bis 8. August in Chengdu nicht erfüllen. In China dabei dagegen ist Hannah Küchler von der University of Southern California. Die Hamburgerin holte sich über 100 Meter Freistil in 57,04 Sekunden den Titel knapp vor Josephine Tresch (57,61) und der 50-Meter-Freistilsiegerin Maialen Rohrbach (58,53) von der PH Heidelberg. „Ich bin nach einem Beinbruch Ende 2022 noch nicht in Topform“, sagte die Siegerin, „in Chengdu will ich mich weiter steigern, aber mein großes Ziel sind die Olympischen Spiele 2024 in Paris.“ Dahin will auch Bente Fischer von der PH Ludwigsburg. Die Neckarsulmerin hat die Norm für Chengdu zwar schon in der Tasche, in ihrer Spezialdisziplin 200 Meter Brust musste sich aber nach einem packenden Zweikampf in 2.32,17 Minuten knapp der Überraschungssiegerin Kim Herkle von der University of Louisville/USA geschlagen geben, für die 2.31,68 Minuten gestoppt wurden. Kim Herkle gewann auch die 200 Meter Lagen souverän in 2.28,46 Minuten vor Josephine Tresch. Einen Doppelsieg feierte auch Julia Oberburg von der Uni Marburg über 50 Meter Rücken in 31,47 Sekunden und 100 Meter Rücken in 1.08,66 Minuten . Deutsche Hochschulmeisterinnen wurden ferner Charlotte Wendel von der Uni Bochum über 50 Meter Schmetterling in 28,57 Sekunden (sie komplettierte ihren Medaillensatz mit Silber über 50 Freistil und Bronze über 200 Meter Lagen), Anja Krastel von der Uni Stuttgart über 400 Meter Lagen in 5.16,53 Minuten (sie holte außerdem noch zweimal Silber und einmal Bronze), Dimitra Damaraki von der Uni Hohenheim über 200 Meter Schmetterling in 2.25,39 Minuten und zweimal Silber über 400 Meter Lagen und 100 Meter Schmetterling, Mareika Ehrling von der Uni Münster über 100 Meter Schmetterling in 1.05,17 Minuten (und Zweite über 50 Meter Schmetterling), Maialen Rohrbach von der Uni Heidelberg über 50 Meter Freistil in 26,46 Sekunden, Anne-Kathrin Bucher von der Uni Hannover über 50 Meter Brust in 33,70 Sekunden und Michelle Pschuk, die spektakulär die 100 Meter Brust gewann. Sie hatte sich lediglich als Fünfte des Vorlaufes zusammen mit drei weiteren Bochumerinnen fürs Finale der besten acht qualifiziert und wünschte sich „Bochum“ von Herbert Grönemeyer als Einmarschmusik. Und was beim Fußball „an der Castropper“ funktioniert, klappte auch beim im Bud-Spencer-Bad: Michelle steigerte sich auf 1.14,70 Minuten und gewann deutlich die Goldmedaille. „Herbert hat mich angetrieben“, lachte sie – und: „Geil, was hier in Schwäbisch Gmünd abgeht!“

Hochzufrieden war auch die frühere Gmünder Spitzenschwimmerin Hannah Hägele, die mitten im Studium an der PH Schwäbisch Gmünd steckt. Trotz reduziertem Training kam sie bei drei Stars an ihre Bestzeiten heran und schaffte über 50 Meter Rücken sogar den Einzug ins Finale, das sie in 33,71 Sekunden als Achte beendete. Katja Mohr, ebenfalls von der PH Gmünd, kam in 34,80 Sekunden auf einen guten 14. Platz.

Bei den Herren ragten von den Zeiten her zwei Athleten heraus, die das Ticket für Chengdu bereits gelöst haben. Zum einen Henning Mühlleitner, der sich wie berichtet, in seiner Spezialdisziplin 400 Meter Freistil den Titel nicht entgehen ließ. Die Zeit von 4.03,63 Minuten war für den früheren Gmünder nebensächlich: „Wichtig für mich ist, dass ich wieder in meinen Rhythmus finde.“ Die letzten Wochen brachten für den Olympiavierten von Tokio einige Veränderungen. Er trainiert seit kurzem im Olympiastützpunkt in Berlin, um sich optimal für die Olympischen Spiele 2024 in Paris vorbereiten zu können. Außerdem will sich Mühlleitner nach Abschluß seines Informatik-Studiums an der Hochschule Heilbronn beruflich neu etablieren.

Auch für Marius Zobel, den zweite Chengdu-Fahrer, waren die Hochschulmeisterschaften in Gmünd eine Zwischenstation zu seinem Ziel Paris. Der Magdeburger, übrigens zusammen mit Henning Mühlleitner 2018 in Glasgow Europameister über 4 x 200 Meter Freistil mixed, gewann unangefochten die 200 Meter Lagen in 2.07,17 Minuten und lobte die Organisation der Wettkämpfe: „Toll hier in Gmünd, macht Spaß, ich hoffe, dass ich nach meiner Fußverletzung bis Chengdu wieder so weit fit bin, um im Finale mitmischen zu können.“

Hinter Zobel Zweiter wurde über 200 Meter Lagen Tim Denis Kost von der Uni Heidelberg, der erfolgreichster Medaillensammler war: Gleich vier Meistertitel holte er sich über 200 Meter Freistil in 1.58,41 Sekunden, 400 Meter Lagen 100 Meter Brust und 200 Meter Brust, zudem sicherte er sich auch über 50 Meter Rücken eine Silbermedaille.

Ganz nah dran an der Quali für Chengdu war der Sindelfinger Marvin Dahler, der für die Polizeihochschule Baden-Württemberg startete. Er blieb über 100 Meter Rücken mit seiner Siegerzeit von 58,10Sekunden als einziger unter der Minutengrenze, auch über 50 Meter Rücken schlug er klar als Erster an. Die Plätze 2 blieben ihm über 50 Meter Schmetterling und in der „Königsdisziplin“ 100 Meter Freistil. Dieses Finale war, auch aus Gmünder Sicht, an Dramatik nicht mehr zu überbieten. Fünf Schwimmer peitschten nahezu gleich auf dem Ziel entgegen. Sebastian Pierre Louis von der Uni Frankfurt hatte nach 52,23 Sekunden hauchdünn die Nase vor Marvin Dahler (52,26) und Matteo Cinquiono (TU Dortmund, 52,64). Der Gmünder Philipp Dalferth (Uni des Saarlandes), der nach den Vorläufen noch Dritter war, musste sich in 52,91 Sekunden mit dem undankbaren vierten Platz vor Mikale Guliyev (Uni Hannover, 52,95) zufriedengeben.

Die weiteren Deutschen Hochschulmeister: Adrian Trumpa (KIT Karlsruhe) über 200 Meter Rücken in 2.26,52 Minuten, Simeon Benner (Uni Stuttgart) über 50 Meter Brust in 29,72 Sekunden, Paul Russmann (KIT Karlsruhe) über 100 Meter Schmetterling in 58,69 Sekunden, Simon Grimm (Polizeihochschule Baden-Württemberg) über 200 Meter Schmetterling in 2.14,09 Minuten und Michael Peters (TU Dortmund) über 50 Meter Schmetterling in 35,53 Sekunden.

Für die meisten der teilnehmenden ehemaligen Gmünder Bundesligaschwimmer kommt derzeit Schwimmen an zweiter Stelle. Unter diesen Umständen überraschte Philipp Dalferth (Uni des Saarlandes) sehr positiv über 200 Meter Freistil mit dem Gewinn der Silbermedaille in 2.00,53 Minuten hinter Tim Dennis Kost in 1.58,41 aber vor Thorben Schey (Uni Stuttgart) in 2.00,76 Minuten und Tobias Düll (Uni Frankfurt, 2.00,84 Minuten), die der Gmünder in einem tollen Finish noch abschüttelte.

Völlig unerwartet gewann Fabian Blessing (Hochschule Aalen) über 200 Meter Brust in 2.30,51 Sekunden die Bronzemedaille. Über 100 Meter erkämpfte er sich im Finale über 100 Meter Brust in 1.09,28 einen hervorragenden sechsten Platz. Über 50 Meter Brust in 31,36 verpasste er das Finale als Zwölfter nur um 18 Hundertstelsekunden.

Spaß und Begeisterung am Schwimmen war für Sascha Rofka (Uni Stuttgart), der mit Bestzeiten vier gute Mittelfeldplätze belegte, sowie für Per Kleinschmidt (Chalmers University Göteborg), der extra zu den Meisterschaften nach Schwäbisch Gmünd anreiste, Patrick Dalferth (Uni des Saarlandes), Eric Wendel (Danube Private Uni Krems/Österreich) und Nils Wendel (Uni Erlangen-Nürnberg) Motivation zum Start. So „ganz unwichtig“ war es in der Vorsitzenden-Familie dann aber doch nicht, dass der ältere Eric sowohl über 50 Meter Freistil, 100 Meter Freistil und 100 Meter Brust seinem jüngeren Bruder Nils die Nase zeigte. In der 4 x 100 Meter Lagenstaffel bestritt Patrick Dalferth die 100 Meter Rücken – mit seinen „lockeren“ 1.04, Minuten hätte er im Einzel Chancen auf einen Podestplatz gehabt.

Bei den lautstarken Anfeuerungsrufen begleiteten Staffelwettbewerben erwies sich die Uni Bochum mit vier Gold und zwei Bronzemedaillen am erfolgreichsten. In der Gesamtmannschaftswertung unter 50 Universitäten kam auf Platz 1 die Uni Heidelberg vor den Unis Bochum und Frankfurt.